Die Heidberg-Chronik
Weg vom Unterricht in mehreren Schichten: Zwei Jahre nach Kriegsende: Die SS-Kaserne ist Krankenhaus geworden. Angestellte, Handwerker, Pfleger und Ärzte, die hier im Norden wohnen, sehen mit Schrecken den weiten Schulweg zum Heerskamp (heute Timmerloh), den ihre Kinder ohne Bus und Fahrrad zurücklegen müssen; besonders im Winter mit hungrigem Magen, ohne Lederschuhe, ohne warme Wollsachen, frierend und leicht erschöpft.
Start im Schulprovisorium
Zwei Jahre nach Kriegsende: Die SS-Kaserne ist Krankenhaus geworden. Angestellte, Handwerker, Pfleger und Ärzte, die hier im Norden wohnen, sehen mit Schrecken den weiten Schulweg zum Heerskamp (heute Timmerloh), den ihre Kinder ohne Bus und Fahrrad zurücklegen müssen; besonders im Winter mit hungrigem Magen, ohne Lederschuhe, ohne warme Wollsachen, frierend und leicht erschöpft.
Ein Elternvorstoß erreicht eine Übergangslösung: Die Schulanfänger bekommen Unterricht im Haus 1 des neuen Krankenhauses über der Privatstation von Professor Beckmann.
Schule und Herzstation unter einem Dach - geht das?
Die erste Klasse der Schule am Heidberg hat 45 sechsjährige Schüler und wird über der privaten Herzstation von Professor Beckermann im Haus 1 der ehemaligen SS-Kaserne untergebracht. Aber schon nach sechs Wochen beschwert sich der Herzspezialist, weil der Schullärm seine Arbeit stark behindere; zum Beispiel könne er keine Herztöne mehr bei seinen Patienten hören. Daraufhin zieht die Klasse in die Schwesternkantine und lernt an den früheren Esstischen auf Zeitungsrändern lesen und schreiben. Die Pausen finden auf dem früheren „Exerzierplatz“ neben den Koksbergen, dort wo heute der Landeplatz für Hubschrauber ist, statt.
Schule in der Baubaracke - wie ist das?
Rasanter Anstieg der Schülerzahlen
Schon bald gibt es drei Klassen unter der Leitung von zwei Lehrerinnen, die im Schichtwechsel vormittags und nachmittags unterrichtet werden. Mittags werden die süßen Suppen der Schwedenspeisung von mitgebrachten Essgeschirren gelöffelt. Durch den Neubau der Heidbergsiedlung (Götzberger Weg, Wakendorfer Weg etc.) Anfang der 50er Jahre kommen Kriegsflüchtlinge aus dem Osten und Ausgebombte aus Hamburg in den rasch wachsenden Stadtteil. Täglich kommen neue Schüler, die sich in der Schule am Heidberg, inzwischen in einer alten Baubaracke untergebracht, anmelden.
Frau Bauer, ehemalige Lehrerin, erinnert sich an das Schulleben in der Baubaracke: „Da gab es neben Wohnzimmern mit kleinem Kachelöfen einen Raum, der fürs Werken und Basteln hergerichtet wurde und einen hübschen, von Linden, Heckenrosen und Mäuerchen umstandenen Schulhof, von dem aus man ins vogel- und pflanzenreiche Kiwittsmoor hinübersehen konnte. Damals standen dort an der Tangstedter Landstraße noch keine Häuser. Wo sich heute die Siedlung Holitzberg befindet, lag damals noch „Napps Berg“, ein Heide- und Buschgelände mit einem dünenhaften Sandberg. In der Baracke musste wie in einer Landschule ein Kachelofen geheizt und mit einer Kuhglocke geläutet werden. Oft war der Duft von Bratäpfeln schon von weitem zu riechen. Sie stammten aus den Gärten der Eltern und brutzelten in der Röhre des grünen Öfchens und erfreuten Herz und Magen von Kindern und Lehrern. Als Lehrer kamen zu Frau Bauer und Frau Sellenschloh, die die ersten Lehrer dort gewesen waren, bald Herr Ahrens, Herr Siemoneit, Frau Bengtfeld und Fräulein Wulff hinzu. Die Raummenge und die mangelnden Hilfsmittel schlossen Lehrer, Eltern und Kinder zu guter Gemeinschaft zusammen. Der Wille zu lernen und weiterzukommen war in den meisten Familien stark ausgeprägt.“
Doch die Idylle trügt. Schon bald muss Frau Bauer einem Kind sagen, dass es nur auf dem noch ungeheizten Kachelofen sitzen könne, da nicht ein Stuhl mehr in die Baracke hineinpasse. Dennoch kommen immer mehr Schüler, die nicht untergebracht werden können und zum Schichtunterricht den weiten Weg in die Fritz-Schumacher-Schule geschickt werden müssen.
Die Eltern protestieren gegen diese Situation. Schließlich wird auf einer Elternversammlung im Krankenhaus von dem anwesenden Schulsenator Landahl die Zusage gemacht eine „Schule Am Heidberg“ zu bauen. Die neue Schule wird am 20. Mai 1952 eröffnet.
Von der Traumschule zur erneuten Raumnot
Die gute Atmosphäre des neuen Schulgebäudes führt rasch zu einer intensiven pädagogischen Arbeit in der Schule und im Stadtteil. So wird 1953 gemeinsam mit Schülern das heute herangewachsenen Wäldchen an der Fritz-Schumacher-Allee gepflanzt.
Außerdem gibt es regelmäßige Ausflüge, Werk- und Buchausstellungen zu Weihnachten und das alljährliche Maisingen. Für die Schulleiterin Frau Bauer ist es sicher nicht immer ganz leicht, die stetig wachsende Schule zu leiten. Das gute Klima im Kollegium wird durch die seit 1953 einmal im Jahr veranstalteten Kollegiumsausflüge in umliegende Schullandheime gefördert.
Die rege Bautätigkeit in Langenhorn während der 50er und 60er Jahre führt zu einem weiteren rasanten Anstieg der Schülerzahlen. Bald werden Haus I und Haus II zu eng, die Schülerzahl steigt bis auf 1000 Schüler an. Wieder einmal muss Schichtunterricht durchgeführt werden, es wird im wöchentlichen Wechsel unterrichtet. 1956 wird als Entlastung für den Bereich Langenhorn-Nord die Schule am Stockflethweg gebaut. Einige jüngere Kollegen der Schule Am Heidberg bilden das Kollegium und die Schulleitung (Herr Feddern) der neuen Schule am Stockflethweg.
Disziplinlosigkeit und Hoffnungslosigkeit anfang der 70er Jahre
Erstaunlich ist die Offenheit, mit der Frau Bauer von den pädagogischen Problemen Anfang der 70er Jahre spricht. Infolge der Studentenunruhen 1968 und der neuen Vorstellungen über antiautoritäre Erziehung ist es ab 1971 besonders schlimm an der Schule Am Heidberg. In der Schulküche wird das Essen von Schülern mit Löffeln an die Decke katapultiert.
In den Klassenräumen wickeln sich wilde Schüler in die Vorhänge ein oder werfen mit Papierfliegern.
Die Verschandelungen der Toiletten und des Schulhofes werden vom Hausmeister Herrn Tretow nur noch mit Mühe immer gleich beseitigt. Aber Disziplinlosigkeit und Unsauberkeit sind nur die eine Seite der Missstände – Hoffnungslosigkeit der Hauptschüler die andere Seite. Mit Neid sehen sie dem Neubau des Gymnasiums auf der anderen Straßenseite zu. In einem Anfang der 70er Jahre erschienenem Artikel in der Zeitschrift „Der Stern“ heißt es aus dem Munde eines Hauptschülers vom Heidberg: „Die Gymnasiasten bekommen auch gratis Zirkel in der Schule, und wir müssen sie kaufen.“ Im selben Artikel wird der Schüler Hartwig, 16 Jahre alt, vorgestellt. Er wollte Koch werden und bewarb sich bei 13 Lehrstellen: „Als die hörten ich komme von der Hauptschule war die Sache schon erledigt. Unsereiner muss als Hilfsarbeiter unterkommen!“
Aufgeben? - Nicht am Heidberg!
Nach Frau Bauers Pensionierung wählt das Kollegium aus den eigenen Reihen den neuen Schulleiter Herrn Lehmann-Grube und kämpft unermüdlich und engagiert gegen die Ursachen der von Frau Bauer so eindrucksvoll beschriebenen Probleme.
Die Schule hatte in Frau Bauers Ära die Grundschuljahrgänge 1 bis 4 und in der Sekundarstufe die Hauptschuljahrgänge 7 bis 9, wurde „Bikinischule“ genannt, weil die Jahrgänge 5 und 6 fehlen. Das Kollegium kämpft um die Beobachtungsstufe 5 und 6, um so mehr Kontinuität ins Schulleben der späteren Hauptschüler zu bekommen und Einfluss auf sie zu nehmen. Und die Schule erhält schließlich die „Orientierungsstufe“. Um wegzukommen vom Image der „Resteschule“, erstreitet sich der Heidberg einen Realschulzweig, ist jetzt endlich eine vollausgebaute HR-Schule mit Grundschule und Orientierungsstufe von 1 bis 10.
Aber schon wieder hinkt die Schule Am Heidberg in ihrer strukturellen Entwicklung hinterher. Die Nachbarschulen „Fritze“ und Grellkamp werden zu Gesamtschulen umgebaut und der Heidberg bleibt zusammen mit den Gymnasien Heidberg und Langenhorn ein Relikt des gegliederten Schulsystems.
Die Schülerschaft in der Sekundarstufe bleibt ein brisantes Gemisch. Natürlich schicken Eltern, die in der Grundschule des Heidbergs gute Erfahrungen mit dem Heidberg und seinen Lehrern gemacht haben, ihre Kinder auf die Sekundarstufe des Heidbergs, wenn sie einen Haupt- oder Realschulabschluss anstreben. Aber es kommen auch Schüler, deren Eltern das Schicksal ihrer Kinder egal ist, die ihre Kinder ganz einfach abgeben. Und es kommen Rückläufer aus den Gymnasien, die von ihren Eltern mit hoher Erwartungshaltung dort hingeschickt worden waren, die Anforderungen nicht erfüllen konnten und jetzt in ihrem Selbstwertgefühl gebrochen sind und erst wieder aufgebaut werden müssen. Letztere werden an den benachbarten Gesamtschulen in der Regel nicht genommen, da diese als geschlossene Systeme geführt werden. Erschwerend für die Arbeit Am Heidberg kommen die finanzielle, materielle und personelle Benachteiligung der H/R-Schulen gegenüber den Gymnasien und Gesamtschulen hinzu.
Das Kollegium Am Heidberg versucht engagiert mit den widrigen Umständen fertig zu werden. In engen Absprachen wird die Durchlässigkeit von H- in R-Klasse erleichtert und mit einer Probezeit gefördert, wird der Abstieg von R- nach H-Klasse für die Betroffenen abgefedert. In einem großen Wahlpflichtkursprogramm arbeiten Haupt- und Realschüler zusammen. In einer H10 werden schwierige Schüler ohne Abschluss und Ausbildungsplatz aufgefangen. Der damalige Schulleiter Hr. Lehmann-Grube gründet die „Jugendhilfe Nord“.
Im Zeichen der Integration und des Gesamtschultraums
Auch in den 80er Jahren wächst die Schule weiter. Mit den steigenden Schülerzahlen an der SAH nimmt bei Eltern und Lehrern wieder die Motivation für eine aktive Schulentwicklung zu.
Nach dem tragischen Ableben von Herrn Lehmann-Grube wird Herr Gerhard Kolz, ehemals Realschulabteilungsleiter an der Deutschen Schule Paris, 1986 neuer Schulleiter am Heidberg - für eine Dauer von fast 24 Jahren.
Kollegen engagieren sich Ende der 80er Jahre für die Einrichtung von Integrationsklassen, zeitgleich unterstützt eine sehr aktive Elterninitiative dieses Vorhaben maßgeblich . Es gelingt nach nur einjährigem Bemühen, dass die Grundschule 1991 mit der ersten Integrationsklasse 1 beginnen kann, die sukzessiv bis Klasse 10 hochwachsen wird.
Anfang der 90er Jahre überschlagen sich die reformerischen Initiativen. Die Lehrerkonferenz befasst sich 1990 auf einem explosiven Pädagogischen Jahrestag mit dem Zukunftsthema „Heidberg quo vadis?“. Ein Lehrer fordert in der Schlussaussprache lautstark die „überfällige Umwandlung in eine Gesamtschule“, eine entsetzt Kollegin steigt postwendend auf den Stuhl und skandiert: „Wehret den Anfängen!“ Zeitgleich formiert sich wieder die jetzt erweiterte Elterninitiative für eine „Gesamtschule Am Heidberg“ (Frau Conrad, Frau Medrow, Frau Micheel, Herr Fischer-Zernin, Frau und Herr Paasch, Herr Struss u.a.).
Nach leidenschaftlichen Diskussionen stellt die Schulkonferenz Ende 1990 den Umwandlungsantrag zur Gesamtschule. Er wird von der Schulbehörde abgelehnt. Der Standort Grellkamp wird für eine neue Gesamtschule bevorzugt, zum Erstaunen und Entsetzen aller Kenner der Langenhorner Schullandschaft. Es sollte nur wenige Jahre dauern, dass sich diese Entscheidung als krasse Fehlentscheidung erweisen sollte.
Der Integrationsgedanke wird an der Schule verstärkt weiter verfolgt und mit der Einrichtung von „Integrativen Regelklassen“ in der Grundschule ab dem 1.8.1992 erfolgreich vertieft. In der Grundschule werden seit 1992, sukzessiv aufwachsend, in einem Jahrgang jeweils eine Integrationsklasse und mindestens zwei Integrative Regelklassen eingerichtet, die bestmögliche Betreuungs- und Fördermöglichkeit für alle Grundschüler.
Das Streben nach einer Gesamtschulgründung am Heidberg bleibt ungebrochen. Viele Eltern von Viertklässlern, die sich mit den Zukunftszielen der Schule identifizieren, melden im Februar 1992 ihr Kind aus strategischen Gründen nicht an der weiterführenden H/R-Heidbergschule, sondern an der benachbarten Fritz-Schumacher-Gesamtschule an – mit dem Zusatz „am liebsten an einer zukünftigen GS Am Heidberg“. Sie hoffen, dass die überlaufende Fritze zu einer Gesamtschulneugründung oder zumindest zu einer Dépendencelösung am Heidberg führen wird. Im Mai 92 besetzen gesamtschulwillige Schüler und Eltern demonstrativ einen Pavillon der Schule, in dem sie am Wochenende übernachten. Die Presse berichtet ..., aber die Behörde will die Neugründung nicht zulassen, selbst wenn zukünftige 5. Klassen der FSS zwischenzeitlich an den Standort Foorthkamp (Gymnasium Langenhorn) ausgelagert werden müssen. Diesen heidbergtreuen, aber enttäuschten Eltern muss rückblickend ihr mitentscheidendes Verdienst an der ein Jahr später erfolgenden Gesamtschulneugründung herausgestellt werden.
An der H/R- Schule Am Heidberg werden wunschgemäß nur drei Kinder (!!!) für den Jahrgang 5 angemeldet. Demzufolge ergibt sich für das Schuljahr 92/93 ein „Nulljahrgang“, der zumindest angesichts der angespannten Raumsituation etwas Luft verschafft.
Im Herbst 1992 genehmigt die Behörde endlich die Umwandlung zur Gesamtschule. Die Schule Am Heidberg wird Gesamtschule Am Heidberg. Am 1.8.1993 werden die ersten Gesamtschüler eingeschult, nachdem sie ihren Händeabdruck in Gips verewigt haben. Im Sommer 99 verlassen die ersten Gesamtschüler ihre GAH. Sie werden als „die Ersten“ unvergessen bleiben, so wie ihre Polonaise an ihrem Entlassungstag durch alle Flure und Höfe der Schule. Sie führen die Polonaise an, sie stimmen ein mit viel Herzblut gesungenes „Heidberg, wir lieben dich!“ an, - und alle Schüler der Gesamtschule folgen ihnen.
Schulbaugeschichte am Heidberg bis 2000 - eine unendliche Geschichte
Anfang der 90er Jahre brodelt es am Heidberg. Der Vulkan wird zum Symbol des „Aufstandes“ und als Logo des Elternrats genutzt. Ärger und Enttäuschung führen zwangsläufig zu Aktionen der Eltern. Sie bauen an einem Oktoberwochenende ein Hexenhaus, das auf dem Schulhof verankert wird. Alle Schüler schreiben und malen ihre Schulwünsche auf Kacheln, die dann auf das Dach des Hexenhauses geklebt werden. Am Nikolaustag 1991 wird das Hexenhaus in einem stilvollen Happening mit dem hoffnungsvollen und gleichsam zynischen Lied „Lasst uns froh und munter sein“ von der Schulgemeinschaft eingeweiht. Natürlich ist die Presse anwesend und berichtet tagsüber wohlwollend über die stimmungsvolle Protestaktion.
Angesichts der jahrzehntelangen erfolglosen Proteste gegen die Raumnot und den Bauzustand erstellt der Schulleiter Gerhard Kolz eine Dokumentation des 20jährigen Schriftwechsels der Schule mit dem Bezirksamt und der Schulbehörde. Diese Dokumentation wird mit seinem Grußwort – zum 40jährigen Durchstehen der Schule Am Heidberg – an die Stadt Hamburg über die Behördenleitung geschickt. Das bittere Grußwort lautet:
Wir fühlen uns seit über 20 Jahren verlassen,
im Stich gelassen.
Wer vernachlässigt,
ist fahrlässig nachlässig,
- ach, lass nach, Hamburg,
du bist jetzt unser Nachlass-Verwalter,
herzlichen Glückwunsch!
Aber endlich: Verknüpft mit der Gesamtschulgründung im Jahr 1993 gibt es den Planungsauftrag der Schulbehörde zum Ausbau der zunächst nur dreizügig geplanten Gesamtschule Am Heidberg. Die Baufortschritte in den 90er Jahren sind geradezu explosionsartig. Der Fortschritt beginnt bereits im Jahr 1989 mit der Außenrenovierung der „Mutterhäuser“ 1 und 2. Und dann geht es sehr schnell - nicht immer ohne Verhandlung und Druck - voran: Die Häuser 3 und 4 (die zwei 4-Klassenhäuser) werden 1993 und 1994 errichtet. Im Sommer 1993 beginnt die Innenrenovierung des Hauses 2, später schließt sich diese Maßnahme im Haus 1 an.
Die Schulbehörde stimmt den beantragten Erweiterungsbaumaßnahmen zu. Bis zum Jahr 2000 werden für Ausbau und Renovierung der GAH insgesamt 15 Millionen Euro investiert werden. Im Herbst 1994 stellt der Architekt Jan Siebert mit seinem Pappmodell seine Vorstellung einer baulichen Gesamtlösung - mit seinem Bekenntnis „Schule kann nicht schön genug sein“ - vor.
So richtig glatt und störungsfrei verläuft die Ausbauphase am Heidberg jedoch nicht. Zwischen 1995 und 1998 gibt es in der Schulbehörde Überlegungen, die Langenhorner Schulstruktur wegen des „schwächelnden“ Gymnasiums Langenhorn und der expandierenden Gesamtschule Am Heidberg zu verändern. Es soll in Langenhorn nur ein einziges „Mammutgymnasium“ am Standort Heidberg geben, im Gegenzug sollen mehrere Jahrgänge bzw. eine Abteilung der Gesamtschule Am Heidberg an den Standort Foortkamp ausgelagert werden. Ein langer Demonstrationszug führt von der Schule über die Tangstedter Landstraße zum Langenhorner Markt zur zentralen Protestveranstaltung. „Der Heidberg (gem. die GAH) muss am Heidberg bleiben ...“ tönt es lautstark Richtung „Hamburger Straße“. Die angedachte Auslagerung kann ebenso abgewendet werden wie später die von der Schulsenatorin dem Schulleiter angedrohte Verfügung, die GAH auf eine Dreizügigkeit zu beschränken – zur Stabilisierung der Gesamtschule Grellkamp....
Im Spätherbst 2000 wird die Übernahme einer wunderschönen Pausenmehrzweckhalle (Aula plus Cafeteria), einer Dreifeldsporthalle und von Kunst- und Musikräumen gefeiert. Zuvor war schon das neue Haupthaus A bezogen worden. Nachgezogen haben die Grundschüler mit ihrem Einzug in das Haus B in die großen, lichtdurchfluteten Klassenräumen mit den integrierten Gruppenräumen. Alle Räume sind hell, freundlich und mit Küchenzeilen und Parkettholzfußboden ausgestattet. Das Haus C mit seinem sehr großen Theaterraum und dem Durchgang zum Haus 2 schließt diese Erweiterungsphase ab.
Bedauerlich bleibt, dass weiterhin bis zu 12 Klassenräume im entfernten Doppel-H (Haus 5) und 6 naturwissenschaftliche Fachräume (davon 2 Chemieräume durch Umbau des früheren Medienzentrums des GyHei neu gebaut) im Erdgeschoss des Fachhauses des Gymnasiums Heidberg „fremd“ genutzt werden müssen.
Die weiteren baulichen Erweiterungen in den Jahren 2004 bis 2007 werden in dem Link „kurz gefasst“ aufgelistet.
6 Bilder einfügen
Alles im Fluss
Im Jahre 2002 konnte das fünfzigjährige Bestehen der "Heidbergschule" gefeiert werden. Eine ganze Woche lang gibt es Veranstaltungen, Feste und außerunterrichtliche Aktivitäten.
Schulprogrammentwicklung
Die hamburgweite Schulprogrammentwicklung beginnt Ende der 90er Jahre. Das Leitmotiv des Schulprogramms der Gesamtschule Am Heidberg wird nach vielen Sitzungen einer Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft und nach einem Pädagogischen Jahrestag sowie durch Beschluss der Lehrerkonferenz und der Schulkonferenz im Dezember 1997 einstimmig festgelegt:
Wir fördern die Persönlichkeitsentwicklung unserer Schülerinnen und Schüler.
In jenen Jahren besteht im Kollegium vielfältig der Wunsch, die Schule und den eigenen Unterricht konzeptionell zu verändern bzw. zu verbessern. Die innovationsbereiten Kollegen wollen von sich aus selbstständiges, individuelles und zukunftsfähiges Lernen ermöglichen, Schüler sollen nachhaltiger gefördert werden. Das Eigeninteresse mehrerer Kollegen an dieser Verbesserung spiegelt sich im Frühjahr 2003 mit der Einrichtung von zwei ausgesprochen förderlichen Lernwerkstätten für Mathematik (insbes. Grundschulabteilung) und Sprache (Sekundarstufe I) wider.
Im Herbst 2003 bildet sich spontan eine „Schulentwicklungsgruppe“, die sich auch als freiwillige „Reformgruppe“ versteht und später zur ersten Steuergruppe weiter entwickelt. Sie regt auf überzeugende, erfolgreiche Weise die Bewerbung für die Teilnahme am Schulversuch „Selbst verantwortete Schule in Hamburg“ - zunächst noch in Begleitung durch den „Club of Rome“ - an. Im Frühjahr 2004 erkennt die Behördenleitung die GAH als „SvS“-Schule an. Seit Schuljahresbeginn 2004/05 ist die GAH Teilnehmer am Schulversuch "Selbstverantwortete Schule in Hamburg", eine von 18 Hamburger Schulen aller Schulformen.
Die Teilnahme an dem Schulversuch „d.18 Selbstverantwortete Schulen in Hamburg“ verstärkt den Reformwillen an der GAH. Angestrebte Veränderungen im Unterricht führen beispielsweise zu dem Entwicklungsziel „Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen, Selbstwirksamkeit fördern“ in den Jahrgängen fünf bis acht:
„Der Schüler der GAH ist auf dem Weg zu einem selbstbestimmten, sozial verantwortlichen, kompetenten Individuum, das sich in soziale Zusammenhänge eingebettet weiß. Er verfügt über so viel fachliches und methodisches Wissen, dass er seinen Weg in die Zukunft finden kann.“ (Zitat aus einem Projektpapier)
An der GAH ist „ALLES IM FLUSS“, eine Fülle von Baustellen und Meilensteinen auf allen Ebenen kennzeichnen die weitere Schul- und Unterrichtsentwicklung. Hervorzuheben aus dieser „bunten Wiese“ sind vor allem:
1999 wird der schuleigene Sportverein SiB („Schule in Bewegung“) gegründet.
Das Schulethos der Gesamtschule Am Heidberg ist mit seinen sieben Leitsätzen identisch mit einem Leitbild. Es ist in einem längeren gemeinsamen Prozess von Pädagogen, Eltern und Schülern entwickelt, beschlossen und im Herbst 2005 sehr feierlich in die Schulgemeinschaft eingeführt worden.
Das GAH-Leitmotiv „Wir fördern die Persönlichkeitsentwicklung unserer Schülerinnen und Schüler“ wird ebenso mit dem Beginn der ersten Sportklasse im August 2005 wie mit der Einführung der ersten Profilklassen in den Jahrgängen 9 und 10 im August 2008 verwirklicht.
Im Herbst 2006 werden auf einer Pädagogischen Jahreskonferenz die „Lernberatungsgespräche“ entwickelt und zum anschließenden Halbjahreswechsel eingeführt. Zur Begleitung und Förderung der Lernentwicklung werden regelmäßige Gespräche zwischen Eltern, Schüler und Lehrkraft institutionalisiert, die anhand der Aussagen der Kompetenzzeugnisse in individuelle Lernvereinbarungen münden. Die Lernberatungsgespräche ersetzen die Halbjahreszeugnisse in den Jahrgängen 5 – 8.
Mit dem Schuljahr 2007/08 beginnend werden im Jahrgang 3 Kompetenzlisten anstelle von Noten- oder Berichtszeugnissen eingeführt.
Seit 2008 nimmt die GAH an dem Schulversuch alles>>könner teil. Alle Teilnehmerschulen haben sich zum Ziel gesetzt, die Kompetenzentwicklung des einzelnen Schülers in den Blick zu nehmen. Dazu gehört die Weiterentwicklung des Unterrichts ebenso wie die Weiterentwicklung einer kompetenzorientierten Leistungsrückmeldung.
Die Prozesssteuerung: Nachdem vier Jahre mit einer „ehrenamtlich“ arbeitenden, 15köpfigen großen Steuergruppe (inkl. drei Leitungsmitglieder) Schul- und Unterrichtsentwicklung vorangetrieben worden ist, wird erkannt, dass das Wirken und die Verantwortung der Gruppe weit über die eigentliche Aufgabe einer Prozesssteuerung hinausgeht und arbeitsökonomisch zu aufwändig ist. Mit Schuljahresbeginn 08/09 übernimmt eine neue, siebenköpfige Steuergruppe (inkl. zwei Leitungsmitglieder) sowie zusätzlich ein Mitglied des Elternrats die deutlich effizientere und systematischere Prozesssteuerung.
2009/2010: Jahre des Umbruchs
Die Umwandlung in eine Ganztagsschule war ein lang gehegter Traum für viele „Heidberger“. Umwandlungsanträge wurden immer wieder gestellt und immer wieder abgelehnt. Erst 2009 wird das langjährige Engagement von Eltern, Lehrern und Schulleitung belohnt. Die Behörde gibt im April als „österliches Überraschungsei“ die Zusage zur Umwandlung. Nach einem sehr intensiven Verständigungsprozess innerhalb weniger Wochen stellt die Schulkonferenz einstimmig den erforderlichen (Wiederholungs-) Antrag zur Umwandlung. Die Ganztagsschule startet mit dem Schuljahresbeginn 2009 / 2010.
Nach fast 24 Jahren Schulleitertätigkeit tritt Gerhard Kolz Anfang Juli 2009 in den Ruhestand. Er wird auf dem Schulfest am 3.7. in einer sehr bewegenden Weise von seinen Schülern verabschiedet. Gemeinsam singen Schüler aller Klassen auf dem Innenhof „Schade, dass du gehst!“. Anschließend wird dieser Hof als „Gerhard-Kolz-Platz“ eingeweiht. Und die Verabschiedung am 10.7. durch die Heidberggemeinschaft und viele Gäste dauert „nur“ fünf Stunden...
Mit Schuljahresbeginn 2009 / 10 übernimmt dann Helga Smits, ehemals Abteilungsleiterin an der Gesamtschule Blankenese, die Leitung der Gesamtschule Am Heidberg.
2010: Die verpasste Reform
Zum Schuljahr 2010 / 2011 gibt es für die „Heidbergschule“, wie sie im Stadtteil seit Generationen und wie sie vom Schulverein immer noch liebevoll genannt wird, eine weitere einschneidende Veränderung. 58 Jahre nach ihrer Gründung wird die Langformschule als Folge politischer Vorgaben geteilt. Aus der integrierten Gesamtschule Am Heidberg entwickeln sich an einem gemeinsamen Standort zwei Schulformen: die Grundschule Am Heidberg unter der Leitung von Elisabeth Prosotowitz und die Stadtteilschule Am Heidberg unter der Leitung von Helga Smits. Die Schulgemeinschaft hat diese Entscheidung zunächst akzeptieren müssen. Sie wird den Diskussionsprozess über die Beibehaltung einer Langformschule von der Vorschulklasse bis zum Jahrgang 13 weiter führen und dementsprechende Konzepte entwickeln. Sicher sind sich alle darin, dass die gemeinsamen Wurzeln beide Schulformen tragen und dass die guten Traditionen fortgesetzt werden.
Die Stadtteilschule Am Heidberg liegt im Norden Hamburgs, im Stadtteil Langenhorn.
Die ehemalige Grund-, Haupt- und Realschule wurde 1952 am jetzigen Standort gegründet und 1993 in eine integrierte Gesamtschule umgewandelt.
Die wichtigsten Entwicklungsmerkmale kurz gefasst:
- Voll ausgebaute Stadtteilschule mit Oberstufe.
- Traditionell je eine Integrationsklasse pro Jahrgang, heute Inklusionsklassen.
- Grundschule am selben Standort.
- Jahrgänge 5-8 fünfzügig, z.T. sechszügig, Profilklassen 9 u. 10 sechszügig,
- z. Zt. besuchen ca. 850 Schülerinnen und Schüler die SAH.
- Gut 100 Pädagoginnen und Pädagogen gehören zum Kollegium.
- Seit 1999 besuchen die ersten Schülerinnen und Schüler die gemeinsame gymnasiale Oberstufe mit der Fritz-Schumacher-Schule am Foorthkamp.
- Seit Sommer 2000 sind die wichtigsten größeren Baumaßnahmen abgeschlossen:
- Die große Dreifeldsporthalle wird eingeweiht,
- viele neue Fachräume für Musik, Kunst, Darstellendes Spiel werden in Betrieb genommen,
- die Pausenhalle mit Mensa und Bühne wird eingeweiht.
- Seit Schuljahresbeginn 2004 sind wir Teilnehmer am Schulversuch „Selbstverantwortete Schule“, eine von 18 beteiligten Hamburger Schulen. Eine große Zahl von Kolleginnen und Kollegen arbeitet an Reformprojekten.
- Im Spätherbst 2004 ist die Schulküche komplett renoviert, die Renovierungsarbeiten am Fachraumtrakt gehen voran. Die Außensanierung ist im Mai 2005 abgeschlossen.
- Sommer 2006: Der neue Doppelstockpavillon (Haus 3) mit vier Klassenräumen ist fertig.
- Das Fachraumgebäude 1 ist nun auch innen renoviert, die neuen Werkstätten werden bezogen.
- September 2007: Ein neues Highlight ist fertig, die kleine Sporthalle ist zur Bewegungshalle umgebaut.
- Seit 2008 Teilnahme am Schulversuch alles»könner.
- Mit dem Schuljahresbeginn 2008/09 nehmen die ersten Profilklassen ihre Arbeit auf.
- Sommer 2009: Die GAH wird in eine Ganztagsschule umgewandelt.
- Sommer 2010: Aus der Gesamtschule werden die „Stadtteilschule Am Heidberg“ und die „Grundschule Am Heidberg“.
- Sanierung des Bestands und Zubau von Flächen: neue Mensa, Verwaltungsräume, Klassenräume: Beginn 2014
Anita Sellenschloh war eine Lehrerin in Langenhorn. Für kurze Zeit unterrichtete sie nach dem 2. Weltkrieg an der Fritz-Schumacher-Schule, dann - bis zu ihrer Pensionierung - an der Schule Am Heidberg.
Außer im engsten älteren Kollegenkreis und in ihrer Familie würde wohl niemand besonders von ihrer (ehemaligen) Existenz Kenntnis nehmen bzw. genommen haben. Wenn - ja wenn nicht Anita Sellenschloh in den letzten Jahren in die Öffentlichkeit getragen worden wäre: Schulintern gibt es eine "Anita-Sellenschloh-Bibliothek" und im „Heidberg-Village“ hängt an der Hauptverbindungsstraße bereits ein Schild „Anita-Sellenschloh-Ring“.
un also ist es Realität geworden: Eine „Ehemalige“ unserer Schule erfährt eine Ehrung durch die Straßenbenennung in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
Während der Vorbereitungen auf unser rundes 50. Jubiläum arbeitete eine kleine Schüler-Projektgruppe der 10. Klassen (Antonia Heyn -10b- und Funda Demirbaga -10a) an dem Konzept zu einer Festschrift, in dem ein Kapitel Anita Sellenschloh gewidmet werden sollte. Ebenfalls beteiligt war unser liebenswerter und aktiver ehemaliger Kollege Reinhard Wiedenmann, der so sorgfältig die „Kalenderblätter“ erstellte.
Und so lag es nahe, mehr über diese ehemalige Kollegin zu erfahren. Es kam zu einem längeren Gespräch mit Petra Fabig, der Tochter Anita Sellenschlohs, die wie ihre Mutter damals, seit vielen Jahren Lehrerin an unserer Schule ist. Ich danke Petra für dieses Gespräch.
Man sollte seine Ansichten über das heutige Geschehen nicht von den Erinnerungen an das Gestrige trennen. Die neueste Geschichte wird viel zu schnell den Historikern überlassen. Allzu viele ignorieren, dass doch der Rückblick auf die Geschichte und auf Personen unter uns zumindest ein wenig Demut hervorrufen sollte...
Anita Sellenschloh - wer war diese bemerkenswerte Frau?
7 Jahre ist Anita alt, als sie ihren Vater, ein Bäcker aus Eimsbüttel, nach dem Ende des 1. Weltkrieges 1918 wiedersieht, den Kopf vollständig verbunden und in einem Paket Mullbinden versteckt: Der Unterkiefer war ihm im Krieg, in den er nicht - wie die meisten anderen national trunken - freiwillig gezogen war, weggeschossen worden.
Schlecht operiert, wird er nie wieder richtig gesund und kann in seinem Beruf nicht weiter arbeiten, wird immer wieder arbeitslos. Der Verdienst der Mutter u.a. als Straßenbahn-Kassiererin ist so gering, dass es vorne und hinten nicht reicht. Anita muss früh mithelfen, ein wenig Zubrot zu verdienen. Früh erfährt sie, was es heißt, arm zu sein und als Kind und Heranwachsende hart arbeiten zu müssen.
Trotzdem lernt sie gut und hat das Glück, in die damaligen freiere „Reformschule“ in der Telemannstraße zu kommen, in der Selbständigkeit und individuelle Entwicklung gefördert werden.
Schon früh, etwa mit 16 Jahren wird sie zunächst Mitglied der sozialdemokratischen "Sozialistischen Arbeiterjugend- die Falken", später tritt sie dem Kommunistischen Jugendverband bei und erfährt hier, was Solidarität und Gemeinschaftsgefühl bedeuten. Viel wird über die Kriegsfolgen, über Ursachen des Massenelends und über die erneuten Kriegsvorbereitungen diskutiert, sie nimmt an Demonstrationen teil, kämpft für mehr Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit.
In dieser Zeit lernt sie Kurt von Appen kennen und verlobt sich mit ihm. Er starb - Ende 1936 - im Spanischen Bürgerkrieg. Als Anita 21 Jahre alt ist, kommen die Nationalsozialisten an die Macht und es beginnt für sie, die Familie und die Freunde die schrecklich lange Zeit von Erniedrigung und Verfolgung. Bereits Mitte 1933 wird sie das erste Mal festgenommen, Anfang 1934 wird sie vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen Hochverrat zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Insgesamt wird sie neunmal verhaftet. Sie lernt die brutalen Verhörmethoden der Gestapo im Stadthaus und im Gefängnis - u.a. in Fuhlsbüttel, dem berüchtigten KOLAFU - kennen, und hört dennoch nicht auf, nachts Flugblätter zu schreiben und sie auf dem Weg zu einer ihrer Aushilfs-Arbeitsstellen heimlich zu verteilen oder Kurierdienste zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstandskämpfern zu leisten.
Die vorletzte Haft erfolgte im Juni 1943 im Zusammenhang mit der Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen. Kurz zuvor hatte sie ihren Gefährten Alwin Sellenschloh geheiratet. Während der furchtbaren Luftangriffe im Juli sitzt sie im Gefängnis und stellt fest, dass sie schwanger ist. Sie wird entlassen und irrt durch die brennenden Straßen. Für immer prägen sich ihr die Bilder der Verwundeten und Toten ein. Hoch oben prangt an einer halbzerbombten Fassade der Schriftzug „Persilgepflegt muss Wäsche sein“.
Tochter Petra wird am 21.September geboren. Anita flüchtet mit dem Baby aufs Land in die Nähe von Gudow und bleibt dort bis zum Kriegsende. Sie kämpft um spärliche Nahrungsmittel und ist unterwegs auf beschwerlichen Wegen in Krankenhäuser, wo ihr Mann und ihre Tochter liegen, beide schwer TBC krank.
Zurück in Hamburg, denkt Anita, dass nun eine völlig neue Zeit anbricht - die Befreiung vom Faschismus. Zunächst aber wird sie aus der neugegründeten KPD ausgeschlossen, was sie letztlich nicht verbitterte. Während der einjährigen Arbeit im „Amt für Wiedergutmachung“ liest sie, dass Lehrer gesucht werden und bewirbt sich im Lehrerseminar. Tatsächlich wird sie 1948 - jetzt 37 Jahre alt- Lehrerin. Endlich kann sie einen alten, langgehegten Wunsch erfüllen, der sich seit ihrer Schulzeit in der Telemannschule gehalten hatte.
Nun kann sie mit ihren neuen und alten Kolleginnen darangehen, die neu gewonnene Demokratie praktisch um zusetzen und „die schlummernden schöpferischen Kräfte der Kinder“ wecken. Ziel ist, sich kritisch mit der Umwelt auseinander zu setzen und wach genug zu sein, neue Kriegstreiber nie wieder an die Macht kommen zu lassen.
Sie kommt an die „Siedlungsschule“ der Fritz-Schumacher-Siedlung, wird Mitglied der an dieser Schule ansässigen „Griffelkunst“, einer Vereinigung zur Förderung junger Maler und Vertrauensfrau der Lehrergewerkschaft.
Die Siedlung wächst schnell, die Schülerzahl wächst mit und die Schule wird zu klein. Drei Klassen werden in Räumen des neuen Heidbergkrankenhauses, der ehemaligen SS-Kaserne, untergebracht. Als 1952 die Schule Am Heidberg entsteht, gehört sie zu den ersten, die an dieser Schule unterrichten.
Sie bleibt hier 23 Jahre bis zu ihrer Pensionierung 1974. Allerdings mit einer Unterbrechung von fast 2 Jahren (1952-54), in denen Mutter Anita und Tochter Petra zu ihrem seit 1947 in La Paz/Bolivien lebenden kranken Mann und Vater zogen. Anita lehrt - in der deutschen Kolonie, einem Hort von aus Deutschland geflohenen, "ausgewanderten" Nazis - an der deutschen Schule. Für die 9-jährige Petra ist es eine Zeit voller phantastischer und prägender Erlebnisse in diesem sozial so zerrissenen Land. Die Familie kehrt nach Deutschland zurück, die Eltern trennen sich.
Anita Sellenschloh vertieft ihre Zuneigung zu ihrem alten (Schul-) Freund Albert-Ali-Bedekow, der selbst 3 Jungen in die neue Lebensgemeinschaft einbringt. Ali ist Verfolgter des Naziregimes, war Häftling im KZ Sachsenhausen und einer der wenigen Überlebenden des „Strafbataillons 999“.
Ali ist leidenschaftlicher Lehrer an der Peter-Petersen-Schule. Voller Engagement widmen sich beide ihrer pädagogischen Arbeit, sitzen nächtelang zusammen, besprechen ihren Unterricht, planen Projekte, diskutieren über Inhalte, Ziele und Methoden, unterstützen sich gegenseitig. Im Zentrum stehen die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler und das große soziale Engagement beider.
Diese gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Planung wird immer wichtiger, denn mit der Verschärfung des Kalten Krieges bläst der Gegenwind für mutige, engagierte und geschichtsbewusste Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen immer stärker. Ansätze zur Aufarbeitung des Holocaust, offene Diskussionen über den Nationalsozialismus sind verdächtig.
In diesen Jahren war es sehr schwer für Pädagogen, die Verfolgte des Naziregimes waren, im Widerstand gestanden haben oder aus der Emigration zurückgekehrt waren. Das gilt auch für deren Kinder, die Lehrer werden wollten.
Anita ließ sich nicht biegen oder beugen. Sie ist bewegt von allem, was Schule lebendiger macht und zeigt ihren Schülerinnen und Schülern neue Wege und Möglichkeiten für einen interessanten Unterricht und für Bildung und Entwicklung ihrer Persönlichkeit.
Die Energie für ihr soziales Engagement und ihr Kampf gegen das Verdrängen und Vergessen erwuchsen ihren Lebenserfahrungen und dem unerschütterlichen Glauben an das Gute, das Kreative und Veränderbare im Menschen. Sie lebte Toleranz und Demokratie.
Sie war kritisch und selbstkritisch, schnell im Denken, auch im Urteilen, prägnant im geäußerten Wort. Und ein schönes Lachen hatte sie, wohlklingend und herzhaft. Unaufdringlich, aber aufgeschlossen und zugewandt begegnete sie Menschen, pflegte Freundschaften, auch mit Persönlichkeiten, die von ihrer Lebensgeschichte, ihrem Charakter her so ganz anders waren als sie selbst.
Mit Claus Lehmann-Grube und Gertrud Bauer - ehemalige SchulleiterInnen unserer Schule - war sie freundschaftlich verbunden. Als Anita Sellenschloh 1974 pensioniert wird, setzt sie ihre gesellschaftliches Engagement konsequent fort. Jetzt beginnt ihre zweite aktive Phase: als Zeitzeugin ist sie gefragt in Schulen und an der Universität, in ihrer Arbeit in der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, im Auschwitzkomitee mit Esther Bejarano.
Sie bleibt undogmatisch und echt in ihrem Engagement. 1994, zu ihrem 83. Geburtstag am 26.Dezember, schreibt ihr eine ehemalige Schülerin: "Ich möchte Ihnen sagen, dass ich sehr stolz darauf bin, die Schülerin einer so mutigen Frau zu sein. Sie sind der einzige Mensch, den ich kenne, der sich im 3.Reich öffentlich gegen das Hitler-Regime gestellt hat. Das wird für mich immer ein Vorbild sein, den ich möchte nie die Fehler meiner Familie wiederholen."
Anfang November 1997 stirbt Anita Sellenschloh.
Wir können stolz darauf sein, dass Anita Sellenschloh Kollegin unserer Schule war und die Neu-Langenhorner sollten ebenfalls stolz darauf sein, diesen Namen als Adresse zu haben.
Anita Sellenschloh, eine Leid erfahrene, mutige, tapfere Frau aufrechten Ganges, Widerstandskämpferin gegen Faschismus, engagierte Lehrerin, unkonventionell, uneitel, dem Dogma fern, dem Leben nah, eine leidenschaftliche Frau - sie erfährt unsere Wertschätzung!
Schul- und Unterrichtsentwicklung
Bereits vor über zehn Jahren haben wir uns auf den Weg gemacht, eine moderne Schule zu werden und waren eine teilnehmende Schule am Schulversuch d18. Im Schulversuch sollen Erfahrungen gesammelt werden, wie verbindliche Qualitätsentwicklung von innen heraus initiiert und nachhaltig entwickelt werden kann.
Die 18 beteiligten Schulen an dem von 2004 bis 2009 laufenden Schulversuch der Behörde für Bildung und Sport (heute Behörde für Schule und Berufsbildung) setzen auf individuelles und zukünftsfähiges Lernen in der Schule. Sie verbessern ihren Unterricht, um Schülerinnen und Schüler nachhaltiger zu fördern. Dafür verändern sie ihre Organisation, wählen ihr Personal selbst aus und treffen eigenständig Entscheidungen.
Hier ein paar Eindrücke von unseren Entwicklungsschritten.